35 Deluxe

Harry Ferguson und die Standard Motor Co. hatten mit dem TE 20 von 1946 bis 1956 lediglich einen einzigen Schlepper im Programm, der aber aufgrund seiner genialen Kunstruktion und Anspruchslosigkeit weltweit in vielen Hunderttausend Exemplaren verkauft wurde. Da der TE 20 in seiner zehnjährigen Bauzeit nie wirklich verändert wurde, bestand dringend Bedarf an einer Überholung der Angebotspalette.

So verschwand dann der beliebte TE 20 nach mehr als 517.000 in England gebauten Exemplaren aus den Preislisten und wurde durch den neu entwickelten FE 35 und etwas später durch den größeren Bruder MF 65 ersetzt. Das in allen Teilen der Welt bewährte "Ferguson-System" sollte von nun an bei allen Neuentwicklungen zum Einsatz gelangen.

Grundsätzlich entsprach der neue FE 35 in weiten Teilen dem TE 20, er wurde allerdings in vielen Details weiterentwickelt und verbessert. Angefangen beim Motor: Der bekannte Standard-Benzinmotor wurde ebenfalls wieder angeboten, allerdings mit etwas vergrößertem Hubraum und dadurch mehr Leistung (35 PS).  Der Vierzylinder-Dieselmotor des TEF 20 wurde ebenfalls im Hubraum auf 2.258 cm³ vergrößert und erhielt einen neuen, vom bekannten englischen Motorenkonstrukteur Harry Ricardo entworfenen Zylinderkopf. Mit seinen speziell ausgeformten Vorkammern sollte der neue Standard-"23c"-Motor äußerst sparsam und laufruhig arbeiten. Nicht zuletzt durch diesen neuen Zylinderkopf und dem Einsatz der neuartigen C.A.V.-Verteilereinspritzpumpe konnte die Leistung auf beachtliche 37 PS bei 2.000 U/min erhöht werden. Es war auf einigen Märkten, wie z.B. England oder die Niederlande, üblich, die Motordrehzahl auf 2.400 U/min zu erhöhen. Dann leistet der Standard-23c-Motor ganze 40 PS, der Schlepper erreicht dann eine Geschwindigkeit von über 30 km/h. All das bei einem Gesamtgewicht von gerademal 1.450 kg! Wurde früher der TE 20 in Deutschland parallel als Diesel- und Benzinschlepper angeboten, so fiel mit der Einführung des FE 35 1957 die Benzin-Variante für den deutschen Markt weg.

Als Massey-Ferguson im Jahre 1959 den größten Dieselmotorenhersteller der Welt, Perkins, übernahm, wurde der Vierzylinder-Standard-Dieselmotor durch den neuen Perkins 3.152, einem Dreizylinder, ersetzt. Viele Landwirte beschwerten sich zuvor über den doch nicht so günstigen Kraftstoffverbrauch und das im Winter oftmals katastrophale Startverhalten des Standard 23c. Massey-Ferguson versuchte zwar, durch den Einbau von einzelnen Glühkerzen das Startverhalten zu verbessern (was auch gelang!), die meisten Kunden verlangten allerdings nach etwas gänzlich neuem. Der Perkins 3.152 kannte diese Schwächen nicht. Sogar noch heute wird dieser Dreizylinder-Direkteinspritzer hergestellt.       

Die Dreipunkt-Regelhydraulik, die Harry Ferguson schon vor dem zweiten Weltkrieg erfand, wurde für den FE 35 um eine feinfühlige Positionseinstellung, eine neuartige Zugkraftregulierung sowie erstmals eine Einstellmöglichkeit der Reaktionsgeschwindigkeit ergänzt. All diese Einstellmöglichkeiten ließen sich vom Fahrersitz aus mit zwei Hebeln kinderleicht bedienen.

Das Getriebe erhielt von nun an serienmäßig eine 2 x 3 Gruppenschaltung. Drei Vorwärtsgänge und ein Rückwärtsgang konnten nun mit einem kleinen Hebel in Schnell (H) oder Langsam (L) untersetzt werden. Ausschließlich in Neutralstellung (N) des Gruppenschalthebels konnte der Schlepper gestartet werden. Die gegen Aufpreis erhältliche "Deluxe"-Ausstattung beinhaltete zusätzlich eine Wegezapfwelle und eine Doppelkupplung.

Das markante Blechkleid des "Little Grey Fergies" wich einer neu gestalteten, rundlicheren Haube, dem Zeitgeschmack der späten 1950er Jahre angepasst. Von nun an konnte der Landwirt für die Kontrolle von Kühlwasser und Kraftstoffvorrat eine schmale Klappe oben auf der Haube öffnen, ohne gleich die gesamte Haube öffnen zu müssen. Auch die Lackierung wurde "modernisiert": waren die Ferguson TE20 noch einheitlich grau lackiert, so erhielt der FE 35 einen sehr auffällig kupferfarben lackierten Rumpf, während die Blechteile weiterhin grau lackiert blieben. Schon im Jahre 1958 wurde das Erscheinungsbild des FE 35 geändert. Von nun an erhielt der Schlepper, der sich erneut zu einem Kassenschlager entwickelte, die Bezeichnung "MF 35", da sich inzwischen Harry Ferguson aus dem Konzern zurückgezogen hatte und fortan nur noch Entwicklungsarbeit leistete. Auch die sehr gewöhnungsbedürftige Lackierung wurde durch eine erheblich gefälligere Rot-Grau-Kombination ersetzt.

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Bis zur Einführung des Nachfolgemodells MF 135 wurden mehr als 800.000 FE/ MF 35 weltweit verkauft. Mit nur leichten Veränderungen wird der MF 35 noch heute als Lizenzbau in Indien hergestellt. Hier der Link zum Traktorenhersteller Tafe. Somit ist er bis heute der meistgebaute Schlepper der Welt.

Doch nun zum MF 35 meines Vaters: Er ist Baujahr 1965 und somit einer der letzten "35er" vor der Einführung des Nachfolgemodells 135. Der Schlepper besitzt daher schon den Perkins-Dreizylinder-Dieselmotor 3.152. Als "Deluxe"- Ausstattung erhielt er werksseitig die Wegezapfwelle und die Doppelkupplung. Dieser MF 35 wurde schon in grau/rot lackiert. Für den deutschen Markt bestimmt, wurde dieser MF 35 nicht mit den typischen Muschelkotflügeln, sondern mit breiteren Kotflügeln samt Beifahrersitzbank ausgerüstet. Als Sonderausstattung erhielt der Schlepper zudem noch einen Frontlader.

Mein Vater konnte diesen MF 35 aus erster Hand von einem Landwirt im Oldenburger Münsterland erwerben. Bei der Bergung bot der kleine 35er einen erbärmlichen Anblick. Er war offensichtlich schon vor Jahrzehnten ausrangiert worden und in einen Hühnerstall untergestellt worden. Die Kotflügel waren komplett zerbeult und verrostet, der rechte Kotflügel lag separat daneben: er war bereits vor Jahren im wahrsten Sinne des Wortes abgefallen. Die Frontladerschwinge fand sich im angrenzenden Waldstück.

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Mit einem Radlader wurde der MF 35 an einer Kette aus dem Stall gezogen und anschließend mittels Abschleppstange auf den Tieflader geschoben. Hierfür diente mein MF 65 als Zugfahrzeug. Alle Frontlader- und anderen Zubehörteile, die sich noch finden ließen, wurden auf den Strautmann-Kipper verladen, welcher vom MF 155 gezogen wurde.

Wieder in Großenkneten angekommen, wurde vor der ersten Begutachtung zunächst mal der Hochdruckreiniger in Anspruch genommen. Und siehe da, unter dem jahrzehntealten Kleid aus Spinnweben und Dreck km tatsächlich ein Traktor zum Vorschein, der sogar noch einen großen Teil seiner Originallackierung trug! Ein gutes Zeichen. nachdem die verschiedenen Betriebsflüssigkeiten kontrolliert wurden, unternahmen wir einen ersten Startversuch. Erste Lebenszeichen zeigten sich allerdings erst, nachdem jede einzelne Einspritzleitung entlüftet wurde.

Momentan wird der MF 35 von meinem Vater generalüberholt. In Zukunft soll der Schlepper regelmäßig, vor allem aber in der Winterzeit, beim Brennholzmachen eingesetzt werden und somit unseren Deutz F2L 612 entlasten.