ED13
Da stand er nun, der kleine "13er Eicher", und tuckerte munter vor sich hin. Die Eigentümerin schien positiv überrascht, daß der Eicher überhaupt angesprungen war, stand er doch nun seit 1987 unbewegt an seinem Fleck, unter dem Dachvorsprung einer Scheune. Die Eigentümerin erzählte, der Eicher sei unmittelbar nach dem Schlaganfall ihres Vaters, der den Eicher 1958 neu erwarb, abgemeldet worden und wurde fortan nie mehr bewegt. Nun sollte der Eicher aber doch weg, da der Platz anderweitig gebraucht würde. Die Eigentümerin hatte klare Vorstellungen, was mit dem rostigen Einzylinder-Eicher geschehen sollte: "Der muß in ein Museum, wo sich jemand um den Trecker kümmert. Der ist viel zu schade für den Schrott!"
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Dieser Ansicht war ich allerdings auch, als ich auf Einladung dieser alten Dame im September 2005 den Eicher begutachtete. Nachdem sich eine halbwegs brauchbare Starterbatterie fand und sicherheitshalber die Flüssigkeitsstände kontrolliert wurden, konnte ein erster Startversuch unternommen werden. Hierzu bedurfte es zunächst eines eingehenden Studiums der Startprozedur, welche auf einem Schildchen am großen, luftgekühlten Zylinder zu lesen war. Aha... Kraftstoff vorpumpen... Vorpumphebel in Anlaßstellung... Dekompressionshebel betätigen... Startknopf drücken... Interessanterweise ist nirgendwo ein Vorglühschalter oder Glühwächter zu sehen, geschweige denn werden sie in der Startanleitung erwähnt!
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...Na klar, schließlich ist der Eicher ED 13 ja ein Direkteinspritzer. Kaum kam mir dieser Gedanke in den Kopf, da mischten sich zu den dicken, grau-schwarzen Rauchwolken aus dem Auspuff auch schon die ersten Klänge des knapp 1,3-Liter großen "Eintopfes". Es puffte und knallte, und mitten in der undurchsichtigen Qualmwolke begann der Eicher vollkommen ruhig und gleichmäßig zu laufen... nach 18 Jahren "Dornröschenschlaf"!
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Nachdem sich die Rauchschwaden verzogen und der Eicher ohne weitere nennenswerte Qualmentwicklung vollkommen ungerührt vor sich hin tuckerte, konnte ich den weitern Zustand in Augenschein nehmen. Die Lenkung hatte sehr wenig Spiel, die Bremsen waren gangbar und auch die Kotflügel waren noch kein Opfer des Rostfraßes. Unter einigem Stroh und Dreck fand sich sogar noch die originale Anlaßkurbel. Beim Betrachten der Motorhaube fiel auf, daß sie zwar komplett dellenfrei, jedoch am unteren Rand der Stirnseite durchgerostet war.
Der Zustand war insgesamt akzeptabel, und so wurde man recht schnell handelseinig. Zum Glück konnte auch kurzfristig ein Transport für das folgende Wochenende organisiert werden.
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Der obligatorische Filter- und Betriebsflüssigkeitswechsel sorgte alsbald für Ernüchterung: Das Motoröl schien das letzte Mal vor ca. 30 Jahren gewechselt worden zu sein und glich mehr einer zähflüssigen, schwarzen, teerähnlichen Pampe. Das Ölfilter entpuppte sich erst nach hartnäckigem Einsatz von Waschbenzin und Drahtbürste als dauerhaft zu verwendendem Spaltfilter. Das Kurbelgehäuse bedurfte einer kompletten Grundreinigung, da an seinen Wänden zentimeterdicker Ölschlamm klebte. Der Blick unter den Ventildeckel war genauso deprimierend: Beide Kipphebel samt dazugehöriger Ventilfedern versteckten sich unter einer ebenfalls zentimeterdicken Schicht aus altem Öl, Ruß und viel, viel Dreck. Es stand fest, daß es in diesem speziellen Fall nicht mit einem einfachen Ölwechsel getan war, zunächst musste soviel Ölschlamm und -kruste wie nur möglich aus dem Motorinnern entfernt werden, um eine zuverlässige und ausreichende Motorschmierung zu gewährleisten.
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Alle anderen anstehenden "Inspektionsarbeiten", wie z.B. Keilriemenwechsel, Erneuerung des Kraftstofffilters, Abschmieren sämtlicher Lagerstellen sowie Auswaschen des Luftfilters gerieten da eher zu erholsamen Handgriffen.
Hier klicken: Bilder vom Pflugeinsatz im August 2006!
Mittlerweile ist die Phase der technischen Überholung und Wartung abgeschlossen, und erste zufriedenstellende Probefahrten auf den heimischen Feldwegen konnten unternommen werden. Der Eicher ED13 ist recht einfach zu fahren und hat auch noch einen absolut tollen Klang, der trotz des Hubraumdefizits sehr stark an den des Allgaier R22 erinnert. Parallelen sind hier der recht großvolumige Einzylinder-Dieselmotor in Verbindung mit einer gigantisch großen Schwungmasse. Diese große Schwungmasse ermöglicht dem Motor zusätzlich eine ungewöhnlich niedrige Standgasdrehzahl.
Die Bauzeit des im oberbayrischen Forstern hergestellten Schleppers fällt in die Jahre 1956 bis 1958, insgesamt wurden ca. 6.000 Exemplare an Landwirte ausgeliefert.