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McCormick ist einer der ältesten Landmaschinenhersteller. Schon zu Zeiten vor dem ersten Weltkrieg stellte International Harvester neben einer Vielzahl von Landmaschinen auch Traktoren her. Damals hatten sie noch klangvolle Namen wie „Titan“ und Mogul“ und waren typische Prärie-Traktoren gigantischer Größe. Zu Beginn der 1920er Jahre, als Henry Ford mit seinem kompakten und erschwinglichen Fordson F den weltweiten Traktorenmarkt auf den Kopf stellte, brachte International Harvester in Chicago den ersten „Farmall“ auf den Markt. Aus dem erbitterten Preiskampf zwischen IH und Ford ging dann schlussendlich IH als Sieger hervor. Das „Farmall“-Prinzip, ein universell einsetzbarer Schlepper mit hoher Bodenfreiheit und zwei eng zusammenstehenden Vorderrädern, zog sich von nun an durch die IH-Modellpalette und wurde auch von zahlreichen anderen amerikanischen Herstellern angewandt.

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Der McCormick –Farmall H  wurde von 1939 bis 1953 gebaut. Mit über 391.000 Exemplaren ist er bis heute einer der meistgebauten McCormick-Traktoren. McCormick siedelte ihn in der Klasse der Traktoren für zweischarige Pflüge an, in der der John Deere Model B sein größter Wettbewerber war. Aufgrund seiner durchdachten und robusten Konstruktion wurde er (gemeinsam mit seinem größeren Bruder „M“) zu einem echten Verkaufsschlager. Noch heute kann man in den USA den Farmall H auf vielen Farmen antreffen. Aufgrund seiner zahlreichen Anbaumöglichkeiten, des anspruchslosen und kräftigen Vierzylindermotors und des kleinen Wendekreises war und ist der Farmall H universell einsetzbar. Das zahlt sich bis heute aus, denn in den USA ist das Preisniveau bei diesen Schleppern recht niedrig, Ersatzteile und Zubehörgeräte werden reichlich angeboten.

Der Farmall H war in vier verschiedenen Ausführungen erhältlich: H (Row Crop-Bauweise), HV (Row Crop mit zusätzlich erhöhter Bodenfreiheit), W-4 (Standardschlepper) und I-4 (Industrieversion). Der Preis für einen Farmall H lag bei recht moderaten 2.000 $. Er war nur mit einem Vergasermotor erhältlich, eine Dieselvariante wurde nie angeboten. Der Benzinmotor hatte einen Hubraum von ca. 2,5 Litern und leistete bei 1.650 U/min 24 PS an der Riemenscheibe.

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Das Getriebe besitzt fünf Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von gut 28 km/h ist er für deutsche Verhältnisse fix unterwegs. Eine Heckzapfwelle war serienmäßig, ein hydraulisches Steuerventil und eine rechtsseitig angebrachte Riemenscheibe waren aufpreispflichtige Sonderausstattungen. Nach Deutschland wurde der Farmall H nie exportiert und zählt somit, obwohl er in so großen Stückzahlen gebaut wurde, zu den echten Exoten.

Der hier gezeigte Farmall H stammt aus dem Kriegsjahr 1943. Aufgrund der Rohstoffengpässe während des zweiten Weltkrieges wurden die Farmalls zwischen 1942 und 1944 mit Eisenrädern ausgeliefert, ebenfalls wurden die Typenschilder aus normalen Schwarzblech anstelle von Aluminium gefertigt. Nach dem Krieg wurden dann die eisenbereiften Farmalls schnell mit den wesentlich komfortableren Gummireifen nachgerüstet. In welchem amerikanischen Bundesstaat mein Farmall sein Arbeitsleben verbrachte, konnte ich bis heute nicht feststellen. Mit einiger Sicherheit kann ich aber sagen, dass es wohl eher eine trockene, sonnenverwöhnte Region Amerikas gewesen sein muss. Der Farmall zeigt kaum Rost, auch ist der Lack nach über 70 Jahren noch immer in sehr gutem Zustand. Sogar die originale Haubenbeschriftung ist noch vorhanden und deutlich lesbar.

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Leider war auch in diesem Fall der technische Zustand nicht annähernd so gut, wie es der optische vermuten ließ. So begann im Oktober 2014 die vollständige Zerlegung des Farmalls. Offenbar musste dieser Farmall schon sehr lange unbewegt gestanden haben, da ich unter anderem mehrere festgerostete Ventile vorfand. Mein ursprünglicher Plan, den so toll erhaltenen Farmall nach einer gründlichen Inspektion einfach wieder aus der Werkstatt zu fahren, hatte sich an dieser Stelle schon erledigt.

Ich zerlegte den Motor in seine Einzelteile. Den Zylinerkopf ließ ich in einem Motoreninstandsetzungsbetrieb planen. Dort wurden auch zwei neue Ventilsitze angefertigt und fachmännisch eingesetzt. In den USA bestellte ich einen kompletten Satz neuer Ventile mit dazugehörigen Ventilfedern und Ventilschaftdichtungen. So weit, so gut. Die Kolben jedoch ließen mich stutzig werden. Nicht nur die Zahl der Kolbenringe, auch der Durchmesser der Kolben wichen von den Werksangaben ab. Nach einiger Recherche im Internet hatte ich den Grund gefunden. Bei den Kolben handelte es sich um "Pow'R Up"-Kolben des Herstellers M&W- also Tuningkolben mit größerem Durchmesser und höherer Kompression. Irgendwann in der Vergangenheit (vermutlich in den 1950er Jahren) wurde der Motor meines Farmalls offensichtlich überholt. Bei der Gelegenheit erhielt er dieser leistungssteigernden Kolben und einen Ansaugkrümmer für den Betrieb mit normalem Benzin.

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Eine interessante Geschichte. Dummerweise konnte mir niemand bei der Beschaffung neuer Kolbenringe helfen. Also musste ich die Sache selbst in Angriff nehmen. In einem amerikanischen Online-Forum erhielt ich den Tipp, direkt bei Hastings, einem Kolbenringhersteller, anzufragen. Und tatsächlich hatte ich Erfolg. Man nannte mir dort sofort eine Artikelnummer, sodass ich bei einem Autozubehörshop in Kalifornien meine neuen Kolbenringe bestellen konnte.

Auch das Getriebe nahm ich genau unter die Lupe, nachdem ich in mühevoller Arbeit den zähen, teerähnlichen Inhalt ausgewaschen hatte. Im Getriebe wies das Schieberad für den 5. Gang ein zu großes radiales Spiel auf. Einige Kugel- und Rollenlager waren beschädigt. Also orderte ich auch hierfür neue Teile in den USA, Wellendichtringe konnte ich in den Niederlanden auftreiben. Nachdem ich auch die verschlissenen Schaltgabeln instand gesetzt hatte, konnte ich nun den Getriebedeckel wieder aufsetzen.

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Es folgten ein Satz neuer Reifen, die Überholung der Vorderachslagerung mitsamt neuer Radlager und dem Austausch einer gebrochenen Radnabe. Auch spendierte ich dem Farmall einen nagelneuen Kühler, da der alte den Ausbau leider nicht überlebte. Vergaser und Zündverteiler zerlegte ich in ihre Einzelteile und überholte sie bis ins kleinste Detail.

Vor dem Probelauf wollte jedoch auch noch die komplette Elektrik neu verlegt werden. Hier musste ich einen Kompromiss zwischen Originalität und StvZO-Konformität eingehen. Denn Blinker, Standlicht oder gar Warnblinker gab es früher in den USA nicht.

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Nach geschlagenen sechseinhalb Jahren, im Januar 2021, war es dann endlich soweit. Erster Probelauf. und dieser war erfolgreich, der Farmall H sprang sofort an. Es folgten ein paar Probefahrten auf dem verschneiten Hof, bei denen noch ein paar Feineinstellungen an Vergaser und Bremse vorgenommen wurden. Nächster Schritt: TÜV-Abnahme!       

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