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Wenn vom „Fordson“ die Rede ist, geht es in der Regel um das Modell „F“ oder seinem Nachfolger, dem Modell „N“. Das liegt daran, dass wohl kaum ein anderer Schlepper in der Geschichte die Mechanisierung der Landwirtschaft so beeinflusste wie "der Fordson".

            

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Henry Ford revolutionierte im Jahre 1917 den Schlepperbau durch die Erfahrungen, die er bereits mit dem Ford Model T, der berühmten „Tin Lizzie“, im Automobilbau gesammelt hatte. Die rigoros einfache Bauart und die industrielle Massenfertigung des Automobils auf dem Fließband erlaubten eine kostengünstige Herstellung und somit einen rekordverdächtigen Verkaufspreis. Genau diese Merkmale wollte Henry Ford, Sohn eines Farmers, auch im Schlepperbau anwenden, um Landwirten eine erschwingliche Zugmaschine anbieten zu können. Die zu diesem Zeitpunkt erhältlichen Traktoren waren zumeist riesige, unhandliche Maschinen, häufig noch von Dampflokomobilen abgeleitet. Sie waren für kleine Landwirte unerschwinglich und wegen ihrer Größe nicht wirtschaftlich einzusetzen.

Das Ergebnis war der „Fordson F“, ein kompakter Schlepper, der erstmals in der Geschichte in Blockbauart ohne Rahmen konstruiert war. Er wurde mit einen Vierzylinder-Vergasermotor ausgerüstet, der fast baugleich mit dem des Model-T-Automobils war. Eisenräder, drei Vorwärtsgänge und ein Rückwärtsgang sowie eine Schwungrad-Magnetzündung (ebenfalls wie in der „Tin Lizzie“) gehörten zur Grundausstattung. Der Markenname „Fordson“ (Ford and Son) wurde aus verschiedenen konzerninternen Gründen gewählt.

Der Fordson F schlug ein wie eine Bombe und hatte von Beginn an einen reissenden Absatz. Zwischen 1917 und 1928 wurden mehr als 750.000 Exemplare verkauft. In manchen Märkten hatte der Fordson einen Marktanteil von über 90%!

              

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Obwohl der Fordson seinerzeit ein tolles Preis-/Leistungsverhältnis hatte, war er nicht perfekt. Vor allem das anfällige Schwungrad-Magnet-Zündsystem und die Thermsyphon-Kühlung waren 1929 die Gründe, das „Model F“ in einigen Details zu überarbeiten. Der Produktionsstart des verbesserten Nachfolgemodells, des „Model N“ ging einher mit der Produktionsverlagerung von Detroit, USA nach Cork, Irland. Ab 1933 wurde der Fordson in Dagenham, England, gebaut.

Der Fordson N besaß einen vergrößerten Hubraum und eine zuverlässigere Hochspannungs-Magnetzündung. Auch war er fortan serienmäßig mit Kotflügeln, einer Kühlwasserpumpe und auf Wunsch mit einem Zenith-Vergaser ausgerüstet. Auch ein Drehzahlregler, welcher beim Fordson „F“ nur als Fremdzubehör erhältlich war, konnte ab 1929 als Sonderausstattung ab Werk mitbestellt werden. Die genieteten Stahl-Vorderräder entfielen und wurden durch weitaus schwerere aus Gußeisen ersetzt.

Der Fordson „N“ wurde bis 1945 in vielen hunderttausend Exemplaren gebaut. Obwohl er stets in kleinen Details verbessert und weiterentwickelt wurde, entspricht die Konstruktion des letzten Fordson N immer noch weitgehend der des ersten Fordson „F“ von 1917.

             

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Bei dem hier gezeigten Fordson handelt es sich um ein „Model N“, welches 1931 in Cork/ Irland gebaut wurde und nach Indiana/USA exportiert wurde. Dort, in einem Örtchen namens Hebron, arbeitete der Fordson auf der Farm eines Mr. Clifford Walden, der den Fordson mit Kotflügeln, Drehzahlregler, Zenith-Spezialvergaser und Riemenscheibe geordert hatte. Wie so häufig, löste der Fordson bei Mr. Clifford Walden die Pferde ab, die zuvor den Pflug durch den Boden Indianas ziehen mussten.

Obwohl der Schlepper sicherlich hart arbeiten musste, wurde er stets gewartet und gepflegt. Auch als irgendwann die aktive Zeit des Fordsons abgelaufen war, verblieb der Fordson auf der Walden-Farm. Er wurde nie veräußert und stand immer vor Witterungseinflüssen geschützt in einer Scheune. 2016 wurde die Farm schliesslich von den Nachfahren Clifford Waldens aufgelöst und das gesamte Inventar veräussert. Ein John-Deere-Oldtimersammler aus der näheren Umgebung kaufte den Fordson und barg ihn aus der Scheune, wo er seit vielen Jahren unter einer dicken Staubschicht schlummerte.

                

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Mit neuen Zündkerzen und nach einer Reinigung des Zenith-Vergasers gelang es dem Sammler, den Fordson wieder zum Laufen zu bringen. Als eingefleischter John-Deere-Sammler konnte er sich jedoch nicht wirklich für den Fordson erwärmen und inserierte den Schlepper, der sich noch immer im Originalzustand befand, im Internet. Dort fand ich das Inserat per Zufall und war sofort vom hervorragenden, schön patiniertem Zustand angetan. Der aufgerufene Preis war für europäische Verhältnisse sehr günstig. So griff ich spontan zum Telefonhörer und verhandelte mit dem Anbieter. Nachdem wir uns zunächst ausgiebig über die zweizylindrigen "Johnny Popper" unterhalten hatten, kam das Gespräch auf den angebotenen Fordson. Wir wurden uns schnell handelseinig.

Der Transport des Fordsons von Indiana nach Deutschland stellte von vornherein kein Problem dar, hiermit würde ich die Firma Van Lenthe in den Niederlanden beauftragen, für die der Import von Oldtimertraktoren aus den USA das Tagesgeschäft ist. So dauerte es dann knappe sechs bis acht Wochen, bis die Nachricht kam: „Dein Fordson ist heil angekommen!“

Der Fordson N präsentierte sich dann wie erhofft. Wunderbar komplett und in tollem, unberührtem Originalzustand. Sogar die komplette originale Fahrzeugliteratur, mit der der Fordson 1931 ausgeliefert wurde, war noch vorhanden. Die ursprüngliche grau-rote Lackierung war noch weitgehend erhalten, die charakteristischen Kotflügel fast rost- und dellenfrei. Durch eine sorgfältig aufgetragene Schicht Leinölfirnis wurde der alte Lack für die Zukunft konserviert und erhielt stellenweise sogar ein wenig Glanz zurück.

             

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Ein Haar in der Suppe fand sich dann doch. Der Motor sprang nicht an, so viel ich auch kurbelte. Schnell stellte sich heraus, dass der Magnetzünder keinen Funken lieferte. Offensichtlich war der empfindliche Zündmagnet auf der Überfahrt von Amerika nach Europa massiv abgesoffen.
 

Zu Hause angekommen, wurde der 85 Jahre alte Veteran erst mal gründlich und in aller Ruhe begutachtet. Der obligatorische Ölwechsel mitsamt Reinigung des Ölfiltersiebes wurde durchgeführt (verwendet wurde unlegiertes SAE 40 Einbereichsöl!), der defekte Magnetzünder wurde instandgesetzt. Die Kühlwasserpumpe leckte erbärmlich, also zerlegte ich sie und versah sie mit einer neuen Stopfpackung. Der optionale Drehzahlregler, seit jeher bei den Fordsons problembehaftet, bedurfte ebenfalls einer Überholung. Er war im innern total festgerostet und konnte dadurch logischerweise nicht regeln.


Der erste Startversuch nach dieser Generalinspektion war dann auch zugleich erfolgreich. Die Freude währte jedoch nicht lange, denn nach nur wenigen Fahrversuchen begann der Fordson immer stärker zu qualmen, bis schlussendlich die komplette Werkstatt vernebelt war. Ursache war eine defekte Zylinderkopfdichtung, welche im Bereich einer Kühlwasserdurchführung durchbrochen war und Kühlwasser in den dritten Zylinder laufen liess. Nach dem Planen des Zylinderkopfes und einigen Fehlversuchen mit verschiedenen neuen Zylinderkopfdichtungen wurde aber auch dieses Problem gelöst.

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Der Fordson ist mittlerweile jederzeit einsatzbereit und sehr startfreudig. Gerne fahre ich ihn auf den Stoppelfeldern unserer Landwirtschaft oder per Tieflader zu Oldtimertreffen in der Region.

Klicken Sie auf die untenstehenden Videos, um den Start und den (schalldämpferlosen) Klang eines Fordson zu erleben: