M

Als 1914 mit dem Modell 10-18 die Allis-Chalmers Manufactoring Company ihren ersten Traktor vorstellte, war sie in den USA bereits ein recht großer Konzern. 1901 als Zusammenschluß vierer Unternehmen gegründet, hatte Allis-Chalmers bereits vor dem Ersten Weltkrieg durch eine Reihe von Firmenübernahmen eine beachtliche Produktpalette vorzuweisen. So ziemlich alle Sparten des Maschinenbaus deckte Allis-Chalmers ab: Dampfmaschinen, Turbinen, Generatoren, Zementmaschinen, Steinbrecher und dergleichen mehr.

Der Traktorenbau erwies sich als zukunftsträchtig. Allis-Chalmers entschied sich, die Angebotspalette weiter auszubauen und kaufte verschiedene kleinere Hersteller von Traktoren auf, um ihre Schlepper unter eigenem Namen anzubieten. Darunter auch Monarch aus Wisconsin, von Allis-Chalmers im Jahre 1928 übernommen.
 

Monarch war zu diesem Zeitpunkt ein etablierter Hersteller von robusten Raupenschleppern. Unter der Regie von Allis-Chalmers wurden die bestehenden Modelle weiterentwickelt und, im für Allis typischen Orange lackiert, vermarktet. Darunter auch das hier gezeigte Modell „M“, welches von 1931 bis 1942 hergestellt wurde. Zu dieser Zeit war sie die kleinste Raupe im Allis-Chalmers-Katalog.

Die Modellbezeichnung „M“ stand für die Herkunft dieses Raupenmodells: „M“ wie „Monarch“.

Sie war einfach und robust konstruiert und konnte mit einer Vielzahl von Anbaugeräten ausgerüstet werden. So konnte Sie als starke Zugmaschine in der Landwirtschaft eingesetzt werden oder aber, mit einem hydraulischen Planierschild versehen, im Straßenbau Verwendung finden.

Angetrieben wird das Modell „M“ von einem 5,2 Liter großen Vierzylinder-Vergasermotor, der ca. 40 PS leistet. Der Motor ist mit einem Fairbanks-Morse Magnetzünder ausgestattet. Einen elektrischen Anlasser gab es als Sonderausstattung.

Der Motor, der auch im Radschlepper „U“ verbaut wurde, ist an ein simples Viergang-Getriebe angeflanscht. Zum Lenken wird die jeweilige Kettenantrieb ausgekuppelt und gegebenenfalls abgebremst. Ein Differential besitzt die Allis-Chalmers „M“ nicht.

Für einen Gangwechsel wird die Motorkupplung mittels eines Handhebels aus- und eingerückt.
 

Ein großer Teil der 14.524 gebauten Allis-Chalmers M wurde exportiert. So auch meine „M“. Sie wurde in den letzten Tagen des Jahres 1940 montiert und per Schiff nach Großbritannien überführt. Im Februar 1941 wurde die Raupe vom Großhändler H.A. Collings in Biggleswade an ihren Käufer Mr. Kendall im nahegelegenen Dunton ausgeliefert.

In den bevorstehenden Kriegsjahren leistete die amerikanische Raupe harte Arbeit vor dem Pflug und, mit einer Riemenscheibe am Heck ausgestattet, vor der Dreschmaschine. Durch die Deutsche Seeblockade und die Verluste durch die Deutsche U-Bootflotte drohte die auf Lebensmittelimporte basierende Versorgung Großbritanniens zusammen zu brechen. Als Gegenmaßnahme wurde im Rahmen sogenannter „Dig for Victory“-Kampagnen jedes verfügbare, noch so kleine Stück Grünland umgepflügt und zur Lebensmittelproduktion herangezogen.

Bilder:

           

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Aber auch nach Ende des Weltkrieges verrichtete die hier gezeigte Raupe stets ihren Dienst, wurde dabei immer gepflegt, gewartet und nach Feierabend in die trockene Scheune gestellt.

Um das Arbeiten auch bei typisch britischem Wetter einigermaßen erträglich zu machen, erhielt diese Raupe in den frühen Nachkriegsjahren eine „Sun-Trac“-Ganzstahlkabine des Herstellers Tractor Supplies Ltd, Willenhall.

Durch diese durchaus formschöne Kabine war der Fahrer zwar fortan vor Regen und gleißender Sonne geschützt, litt jedoch nun unter den Abgasen, die durch die warme Abluft des Kühlers in die Kabine gedrückt wurden. Ganz zu schweigen vom unglaublichen Lärm der Ketten, der sich in der Kabine noch erheblich verstärkt.

             

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Bis in die 1990er Jahre blieb die Raupe auf dem Hof von Mr. Kendall. Nach dem Verkauf ging sie durch die Hände zweier englischer Oldtimersammler, bis sie im Herbst 2019 schließlich auf einer Oldtimerauktion versteigert wurde und aufs europäische Festland kam.

Als die Raupe dann schlussendlich zu mir kam, präsentierte sie sich in wirklich vollkommen unberührtem Originalzustand. Sie war absolut komplett. Mit Ausnahme der verschlissenen Sitzpolster waren alle Teile vorhanden und original. Unter dem Sitz fand ich sogar noch einen orginalen Ölfilter, der dort die letzten Jahrzehnte überdauert hatte.

Selbstverständlich sind die letzten 80 Jahre nicht spurlos an ihr vorübergegangen. An vielen Bauteilen ist natürlich Verschleiß zu erkennen; wirklich verschlissen war jedoch nichts.

             

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Leider war ein einfaches „draufsetzen und losfahren“ zunächst nicht möglich. Die Raupe sprang nur sehr widerwillig an und lief nur im Standgas. Sobald ich mit dem Handgashebel die Drehzahl erhöhen wollte, starb der Motor schlagartig ab. Die Ursache war schnell gefunden: der Zenith-Vergaser war verdreckt, es stand Wasser in der Schwimmerkammer und einige Dichtungen des Auspuffkrümmers waren undicht..

Nach einer gründlichen Reinigung des Vergasers und der Montage eines Überholsatzes sprang der Motor sofort an und lief prächtig. Der Vergaser ließ sich bei den anschließenden Probeläufen sauber einstellen.

           

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Im Rahmen der nun anstehenden Inspektion wechselte ich alle Betriebsflüssigkeiten, Zündkerzen, -kabel und -stecker, den Keilriemen sowie einen porösen Kühlwasserschlauch. Den Luftfilter reinigte ich gründlich, ebenso die Ölwanne. Hier gab es nichts außergewöhnliches zu entdecken.

Die Lenkkupplungen und -bremsen stellte ich nach Herstellervorgaben ein.

So zeigt sie sich heute auch nach 80 Jahren noch voll einsatzbereit- ohne jemals überholt worden zu sein. Man muss wirklich von Glück sprechen, dass es keinem der Vorbesitzer in den Sinn kam, diese Raupe neu zu lackieren.

 

Wenn Sie auf das untenstehende Standbild klicken, öffnet sich ein Youtube-Video, welches die Startprozedur und die Laufkultur der Allis M zeigt. Es wurde im Februar 2020 aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme lag die Temperatur in meiner Werkstatt knapp über dem Gefrierpunkt.