L45

Auch wenn man es hierzulande glauben könnte- nicht nur Lanz baute Ackerschlepper mit Glühkopfmotoren. Neben der großen Zahl an Glühkopf-Bulldogs, die Lanz zwischen 1921 und 1953 baute und in viele Länder exportierte, gab es auch einige Lizenzbauten. So zum Beispiel der „Le Percheron“ aus Frankreich, der „Pampa“ aus Argentinien oder auch der polnische „Ursus“. Allesamt weitgehende 1:1-Kopien der Mannheimer Bulldogs.

Doch Lanz und seine Lizenznehmer waren nicht die einzigen, die auf das Glühkopfprinzip setzen. So brachte relativ zeitgleich zu Beginn der 1920er Jahre eine ganze Reihe europäischer Hersteller Traktoren mit großvolumigen, einzylindrigen Glühkopfmotoren auf den Markt. Diese Zweitakt-Motoren zeichneten sich durch Robustheit und Anspruchslosigkeit aus. Sie ähnelten sich aufgrund des liegend angeordneten Zylinders mit seitlich angeordneten Schwungrädern teilweise sehr.

In Italien war es neben einer Handvoll anderer Landmaschinenhersteller die „Officine Meccaniche Giovanni Landini & Figli“ in Fabbrico, die sich das Glühkopfprinizip zu eigen machte und 1925 ihren ersten Schlepper auf den Markt brachte.  Die mächtigen Einzylinder aus Fabbrico mit ihrem kräftigen Auspuffschlag wurden zum Erfolg. So wurde Landini mit den Jahren zu einem der größten italienischen Schlepperhersteller.

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Interessanterweise gelangte keine nennenswerte Zahl der italienischen Glühkopfschlepper in den Export, ganz gleich ob sie nun Landini, Orsi oder Bubba hießen. Allein dadurch lässt sich schon erklären, dass sie nie die Verkaufszahlen der Mannheimer Lanz Bulldogs erreichten. Daher sind die Italo-Glühköpfe heute außerhalb Italiens so selten anzutreffen.

Landinis Verkaufsschlager war der kompakte L25 mit ca. 4,4 Litern Hubraum und 25 PS bei 880 U/min. Von ihm verkaufte Landini in der 1950er Jahren mehr als 6.000 Stück.  Genau der richtige Schlepper für die typische italienische Landwirtschaft mit ihren kleinen Ackerbaubetrieben.

Für größere Ansprüche an Zugkraft und Motorleistung hatte der L25 einen großen Bruder: den L45. Sein Hubraum war mit 9,5 Litern mehr als doppelt so groß wie der des L25. Er leistete 45 PS bei 740 U/min und wog mit 3,2 Tonnen ebenfalls doppelt so viel wie der kleine L25. Mit diesen Dimensionen entsprach der L45 ungefähr den Lanz Bulldogs D8506, D9506 und D1506, die bei etwas mehr Hubraum die gleiche Leistungsausbeute lieferten.

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Der hier gezeigte L45 kam im Frühjahr 2021 in unsere Sammlung. Ein belgischer Händler hatte ihn im Angebot. Laut Angaben des Händlers lief der Motor, der Rest des Schleppers war aber stark reparaturbedürftig. Ich ging das Risiko ein. Immerhin wusste ich bereits, dass der Motor lief. Das war für mich eine Basis, mit der ich beginnen konnte. Zudem war dieser Landini L45 komplett unverbastelt und schön patiniert.

Als der große Landini dann bei mir ankam, begann umgehend eine eingehende Bestandsaufnahme. Ich nahm mir vor, zunächst den Schlepper genau zu inspizieren und alle Komponenten zu begutachten, bevor ich ihn zum ersten Mal startete. Bei dieser Durchsicht stellte ich fest, dass nicht nur der Dieseltank an verschiedenen Stellen durchgerostet war, auch der Boden des gusseisernen Wasserkastens des Kühlers sowie das Kühlwassersteigrohr waren durchgerostet. Das waren dann auch gleich die größten Baustellen, die vor einem ersten Probelauf angegangen werden mussten.

Ich zerlegte das geschraubte Oberteil des Kühlers. Was dabei zum Vorschein kam, war die reinste Katastrophe. Das kleine, nur ca. 10mm große Loch des Wasserkastens wurde beim vorsichtigen abklopfen des losen Rosts immer größer und größer. Ganze Brocken lösten sich aus dem Boden des gusseisernen Wasserkastens, bis aus dem zunächst kleinen Loch schlussendlich faustgroße Löcher wurden. Was tun? Die Ersatzteilversorgung für Landinis, gerade für die großen Typen, ist vor allem in Deutschland quasi nicht vorhanden. An ein gebrauchtes Ersatzteil war somit nicht zu denken. Der Wasserkasten musste also instandgesetzt werden. Eine professionelle Reparatur hätte bedeutet, dass der Wasserkasten in einem speziellen Ofen erhitzt würde, um danach passende Eisenstücke einzuschweißen. Ich sah hierin die Gefahr, dass mein durch Rost bereits stark geschwächter Wasserkasten vollends zerstört würde. Ich entschloss mich daher, das löchrige Teil selbst zu reparieren. Zunächst reinigte ich den Innenraum so gut es ging von losem Rost. Danach schnitt ich aus drei Millimeter starkem Blech passgenaue Stücke zu, die ich von aussen über die Löcher mit 2K-Epoxydkleber klebte. Zum Schluß besorgte ich mir ein spezielles 2K-Epoxydharz mit einer langen Topfzeit, welches ich in den mittels Heizstrahler aufgewärmten Wasserkasten goss. Ich schwenkte den Wasserkasten nun über eine längere Zeit, sodass das Harz ausreichend Gelegenheit hatte, in alle Poren zu laufen. Nachdem der überschüssige Rest abgetropft war, trocknete das Epoxydharz aus und hinterließ eine harte, gleichmäßige Schicht auf der Innenseite des Wasserkastens.

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Ich hoffte nun, dass durch diese Reparatur der Wasserkasten dicht war und ein wenig zusätzliche Stabilität bekam. Das ebenfalls durchgerostete Steigrohr vorm Kühler reparierte ich gar nicht erst… es wanderte direkt in die Schrotttonne und wurde durch ein neues Rohr ersetzt. Kein Problem, da Normware… ebenso die dazugehörigen Dichtungsringe.

Beim Kraftstofftank, durch seinen integrierten Öl- und Benzintank sowie der Luftfilterdurchführung ein reichlich komplexes Teil, wählte ich die gleiche Reparaturmethode wie beim Wasserkasten. Ich reinigte ihn zunächst gründlich von innen und außen, um dann von außen passend zugeschnittene Blechstücke mit 2K-Epoxydkleber aufzukleben.

Als nächstes befasste ich mich mit dem viel zu großen Lenkspiel. Das Lenkrad ließ sich fast eine ganze Umdrehung drehen, bevor sich bei den Vorderrädern etwas tat. Neben ein paar kleineren, ausgeschlagenen Buchsen war die Hauptursache die total ausgeschlagene Nut für die Passfeder im Lenkhebel. Auch hier konnte ich mit Hilfe der modernen Chemie fehlendes Material ersetzen und so nacharbeiten, dass am Ende von den fast 360° Lenkspiel nun noch ca. 15° übrig blieben.    

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Die weiteren Arbeiten am Landini waren Wartungs- und Pflegearbeiten. Ein neuer Kraftstofffilter, Auswaschen des Luftfilterfüllmaterials (Rosshaar!) und der Filzplatten des Ölfilters. Ich wechselte das Getriebeöl, reinigte das Kühlernetz, begutachtete den Zündsack und prüfte das Spritzbild der Einspritzdüse.

Der hier gezeigte Landini L45 trägt nach siebzig Jahren noch immer sein "Nummernschild", ein kleines, geprägtes dreieckiges Kennzeichen am Kühlergrill. Durch Kontakte zu italienischen Sammlern konnte ich das Nummernschild entschlüsseln und dadurch ein wenig zur Vergangenheit dieses Landinis forschen. So erhielt ich die Information, dass dieser L45 in der Region Catania lief- auf Sizilien! Ausgeliefert wurde er durch die in Catania ansässige Landini-Vetretung von Raffaele Donadono. Das kleine "Nummernschild" war jedoch kein Kennzeichen, wie man es heute kennt. Vielmehr war es ein Plakette, die den Bauern berechtigte, vergünstigt Diesel für seinen Schlepper zu beziehen. 

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Bei alten Glühkopfmotoren, die wie mein Landini mutmaßlich schon lange Zeit nicht gefahren und gewartet wurden, sollte auf jeden Fall auch das Innere des Kurbelgehäuses sowie die Auspuffschlitze inspiziert werden. Durch das Abnehmen der Ventilplatte unterhalb des Luftfilters gelangt man zum Inneren des Kurbelgehäuses. Defekte konnte ich hier nicht feststellen, ich beließ es hier bei einer eingehenden Reinigung und einer Überarbeitung der Luftklappen. Ganz anders jedoch der Anblick nachdem ich den Auspuff abgebaut hatte. Die Auspuffschlitze des Zylinders waren komplett verkokt, nur noch eine kleine Öffnung von der Größe einer Zwei-Euro-Münze war noch frei. Bis heute frage ich mich, wie der L45 mit seinen 9,5 Litern Hubraum und einem fast vollkommen blockiertem Auspuffkanal laufen konnte. Es dauerte einige Stunden, bis ich die steinharte Ölkohlekruste komplett entfernt und auch den Auspuffkrümmer gereinigt hatte.

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Einem Probelauf stand nun nichts mehr im Wege. Sämtliche Betriebsflüssigkeiten waren ersetzt, Kraftstofftank und Kühlwassersystem waren erfreulicherweise dicht. Mit einer kleinen Kurbel, die ich mir nach originalem Vorbild nachgebaut hatte, pumpte ich Schmieröl vor. Der Einfachheit halber benutzte ich zum Anheizen einen Gasbrenner. Nach zehn Minuten war der Zündsack rotglühend. Ein, zwei Mal am Schwungrad gedreht… und er lief!  

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Und der L45 lief sogar sehr gut. Gleichmäßig, kraftvoll und ohne übermäßige Qualmentwicklung. Es folgten ausgedehnte Probefahrten auf dem heimischen Stoppelfeld, bei denen sich der Landini stets von seiner besten Seite zeigte. Kleinere Details wurden anschließend noch korrigiert, so belegte ich z.B. die Handbremse neu und behandelte den Schlepper mit Leinölfirnis. Auch erhielt der Landini zwei neue Vorderreifen.

Aufgrund seiner überschaubaren Höchstgeschwindigkeit von 16 km/h plane ich nicht, den Schlepper für den deutschen Straßenverkehr zuzulassen und für den TÜV umzurüsten, was seinen schönen Originalzustand empfindlich beschädigen würde. Er darf so bleiben, wie er ist und seinen verdienten Ruhestand genießen. 

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