Bulldog D7506

Der Publikumsmagnet auf jedem Oldtimer-Traktorentreffen sind nach wie vor die Lanz Bulldogs, vor allem aber die Glühkopfbulldogs! Keine anderen Schlepper in der Geschichte des deutschen Traktorenbaus haben die Landwirtschaft dermaßen geprägt. Nicht umsonst ist im süddeutschen Raum der Begriff "Bulldog" das Synonym für sämtliche Traktoren - bis heute!

Was ist das besondere an diesen Traktoren? Zunächst ist es die unglaublich urige Technik; weiterhin ist es das gedrungene Erscheinungsbild, dann ist da selbstverständlich der faszinierende Auspuffklang dieser großvolumigen Einzylindermotoren; und zu guter letzt gab es keinen anderen Schlepper, der mit Heizlampe und Lenkrad gestartet wird!

Der Lanz Bulldog D7506 besitzt einen liegenden Einzylinder-Zweitakt-Glühkopfmotor mit 4.767 cm³ Hubraum. Aufgrund der niedrigen Kompression muß der Glühkopf zunächst mit einer Heizlampe vorgeheizt werden. Zum eigentlichen Starten wird dann das Lenkrad samt Steuersäule abgenommen und seitlich in die Kurbelwelle gesteckt. Durch Pendelbewegungen gegen den Kompressionswiderstand wird der Motor zum Laufen gebracht.

Bilder:

               

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Der hier vorgestellte 25 PS starke Lanz Bulldog D7506 wurde im Kriegsjahr 1942 gebaut. Zu dieser Zeit herrschte im Deutschen Reich Treibstoffknappheit, da sämtlicher "Sprit" für Feldzüge der Wehrmacht benötigt wurde. Aus diesem Grund erließ die Reichsregierung den Befehl, daß sämtliche Fahrzeuge mit "heimischen Brennstoffen" zu betreiben sein. Aus diesem Anlaß wurde der Bulldog, genau wie viele andere Fahrzeuge in Deutschland, auf den Betrieb mit Holzgas umgerüstet, bzw. werksseitig dementsprechend ausgerüstet. Erkennungsmerkmal dieser Fahrzeuge war ein großer zylindrischer Eisenkessel (beim Lanz Bulldog frontal vorgebaut), in dem durch eine kontrollierte Verkokung von Holz und Holzkohle brennbares Holzgas erzeugt wurde.

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Unser D7506 war ursprünglich werksseitig ebenfalls mit einer solchen komplizierten und aufwendigen Holzgasanlage ausgerüstet, was der "Lanz-Kenner" an folgenden Merkmalen erkennen kann:

- Fahrgestellnummer

- Treibstofftank bestehend aus zwei Einzeltanks (Benzin/Diesel)

- Aussparung im Treibstofftank für die Holzgasleitung

-  gefederte Vorderachse

- Bohrung im Haltestift für die Kühlwasserdeckelfeder

- Bohrungen in den seitlichen Stehblechen als Aufnahmen für diverse Regulierhebel der Holzgasanlage

- Der Kühlerventilator saugt die Kühlluft auf der linken Fahrzeugseite an, nicht auf der rechten.

All diese Merkmale, die auf die Identität dieses seltenen Schleppers hindeuten, erschlossen sich uns erst während der Totalrestaurierung 1993. Es existieren heute nur noch sehr wenige komplett erhaltene Holzgasbulldogs, da nach dem Zweiten Weltkrieg fast sämtliche der 1.643 zwischen 1942 bis 1943 gebauten 25 PS- Holzgasbulldogs aufgrund ihrer mangelnden Zuverlässigkeit und ihres hohen Wartungsbedarfes auf "normalen" Dieselbetrieb zurückgerüstet wurden. So auch unser 25 PS-Bulldog.

Als der Schlepper im Jahre 1993 nach Großenkneten kam, zeigte er sich im akzeptablen Zustand. Er war bis auf den Sitz nahezu komplett, sogar alle Blechteile waren vorhanden und an keiner einzigen Stelle durchgerostet. Allerdings war der Bulldog von einem Probelauf noch weit entfernt. 

Die Restaurierung, mit der umgehend begonnen wurde, beanspruchte die Freizeit von mehr als anderthalb Jahren und strapazierte regelmäßig das Nervenkostüm meines Vaters. Unzählige Kleinteile wurden in penibler Handarbeit gegen neue ersetzt, da Normteile an einem über 60 Jahre alten Bulldog eher rar sind. Hier ein Beispiel:

  

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Die umfangreiche Restaurierung umfasste eine komplette Motorüberholung samt Erneuerung des Pleuellagers. Sämtliche Kupferleitungen wurden gegen neue ersetzt, ebenfalls wurde die gesamte elektrische Anlage erneuert und dabei von 6 auf 12 Volt umgestellt. Betriebs- und Handbremse erhielten neue Beläge, alle Blechteile wurden vor der Lackierung sandgestrahlt. Die Kühlerelemente waren erhaltenswert und wurden lediglich grundgereinigt und teilweise neu verlötet. Weiterhin bedurfte die seltene gefederte Vorderachse eines Austauschs sämtlicher Buchsen und Bolzen. Im originalen Luftfilter fand sich sogar noch die ursprüngliche Kokosfaserfüllung, die nach 60 Jahren natürlich nicht mehr brauchbar war und eher eine Gefahr für den Motor darstellte. Diese Kokosfaserfüllung wurde entsorgt und kreativerweise gegen eine handelsübliche Dunstabzugshauben- Filtermatte ausgetauscht. 

Nach Abschluß der Restaurierungsarbeiten stand dann 1995 der erste Probelauf an, den der Bulldog allerdings eher unwillig und lustlos absolvierte: Der Motor sprang zwar direkt beim ersten Versuch an, jedoch lief er dann eher unruhig, neigte stets zum Durchgehen und zeigte dennoch keinerlei Leistung. Von den ehemals 25 Pferden war nichts zu spüren...  

Woran lags? Es vergingen Jahre voller Frust und Resignation, da kein einziger Versuch Besserung zeigte. Sei es eine erneute Reglereinstellung, ein nagelneuer Einspritzpumpenstößel samt neuer Dichtungspackung oder auch andere, wenig orthodoxe Ideen von erfinderischen Bulldog-Schraubern. Es war wie verhext! Nach wie vor hatte der Bulldog kaum Leistung. Nach jedem erneuten Einstellungsexperiment lief der Bulldog genauso schlecht oder aber noch schlechter.

Der allesentscheidende Geistesblitz kam kurz vor Weihnachten des Jahres 2005: Beim Studieren diverser Bücher zum Thema "Holzgas im Lanz Bulldog" fielen mir Schnittbilder der Bulldogmotoren auf, die eine an den Holzgasbetrieb angepasste Drehzahlregulierung hatten, inklusive eines speziell geformten Regulierkeils. Dieser Regulierkeil wies eine extrem flache Steigung auf, damit die Einspritzpumpe möglichst wenig Kraftstoff einspritzen sollte. Der hauptsächliche Leistungsträger sollte das Holzgas sein, das lediglich als "Zündmittel" eine kleine Portion Diesel benötigt. Hier zwei Abbildungen, die zum einen den flachen Holzgas-Regulierkeil und zum anderen den Standard-Regulierkeil für den Dieselbetrieb zeigen. 

         

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Nur hier konnte die Ursache liegen! In einer Hau-Ruck-Aktion wurde die komplette Backenkupplung ausgebaut, um anschließend den dahinterliegenden Regulierkeil ebenfalls zu demontieren. Dem Regulierkeil wurde durch Aufschweißen und bestimmten Abschleifen eine größere Steigung verpasst - in dem Maße, wie sie bei den Standard-Glühkopfbulldogs üblich ist. In diesem Rahmen wurde die Schmierung der wichtigsten Lagerstellen überprüft sowie das wichtige Reguliergestänge des Boschölers optimiert. Ebenfalls erhielt der Drehzahlregler eine neue Grundeinstellung. Hierbei hielten wir uns nicht an irgendwelche Werkstabellen mit Federvorspannungen und Windungszahlen. Wir nahmen als Vorlage den baugleichen Drehzahlregler des zweiten Lanz D7506, der eine erschreckende Leistungsentfaltung aufweist. Nach der Montage der einzelnen Komponenten stand einem Probelauf nichts mehr im Wege. 

An einem naßkalten, regnerischen Dezembermorgen fauchte die Heizlampe unter dem Glühkopf, und voller Spannung erwarteten mein Vater und ich die ersten Lebenszeichen nach langer Zeit, nunmehr mit neuem Regulierkeil und frisch eingestelltem Drehzahlregler. Was würde geschehen, wenn der Bulldog genauso schlecht liefe wie zuvor...?

         

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Auch diesmal, sogar bei knapp 2°C Außentemperatur, sprang der 25er nach über einjähriger Standzeit sofort beim ersten Versuch an... und lief augenblicklich ruhig und gleichmäßig mit seinem unverwechselbar bulldogtypischen Auspuffschlag! Wie konnten es nicht glauben. Jetzt kam die Probe aufs Exempel: Der Tritt aufs Gaspedal. Wie wird die Gasannahme? 

Die Neugier überwog schließlich die Angst vorm erneuten Reinfall und mein Vater trat beherzt aufs Pedal, worauf sich der Bulldog mit kräftigem Knallen und einer gigantischen Rauchwolke ins Leben zurückmeldete!  Jetzt folgte die nächste Bewährungsprobe: Probefahrt inklusive Bergauf- und Bergabfahrten. 

Schon auf den ersten Metern konnte man merken, daß sich die verlorengegangenen 25 Pferde wieder zusammengefunden haben. Scheinbar haben sie noch Verstärkung mitgebracht, denn der Bulldog ließ sich die recht große Steigung der Straße nicht anmerken und ackerte sich unter ohrenbetäubenden Aupuffknallen durch den Schneematsch. Ein voller Erfolg! Nun hatte der Bulldog endlich seine ursprüngliche Kraft wieder. Selbst 1942 hat er sicherlich nicht besser gelaufen.

         

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Es lag tatsächlich ausschließlich am Regulierkeil, der noch aus der Holzgaszeit stammte. Kein noch so erfahrener Bulldogrestaurateur ist auf die Idee gekommen, mal versuchsweise einen anderen Keil einzubauen. Im Umkehrschluß heißt dies aber auch, daß nach dem (durchaus fachmännischen) Rückbau des Bulldogs in der unmittelbaren Nachkriegszeit der Bulldog nie wirklich gut hätte laufen können, da das wichtigste Teil schlichtweg vergessen wurde. Weshalb der Lanz seinerzeit mangels Leistung nicht verschrottet wurde, ist rätselhaft. Andererseits garantiert uns das heute, daß der Bulldog nur wenig Verschleiß zeigt. 

Nach dieser glücklichen Wendung stand einer erfolgreichen Oldtimersaison 2006 nichts mehr im Wege, in der unser ex-Holzgasbulldog eine tragende Rolle spielte.

Das typische Glühkopfbulldog-Startritual zeigt das nachfolgende Video. Der dort zu sehende Bulldog ist der auf dieser Seite beschriebene 25 PS starke D7506.

 

Wie sich ein solcher Bulldog fährt, können Sie auf den beiden weiteren Videos sehen. Auch hier gilt: Lautsprecher an!

                

           

Info: Klicken Sie hier, um mehr über die typischen Bulldog-Heizlampen zu erfahren!